"Man darf zur Notlüge greifen"
Schweigen oder doch reden? Wie ehrlich man beim Vorstellungsgespräch sein muss, weiß Arbeitsrechtsexpertin Tanja Schmidtbauer im derStandard.at-Interview Das Ansprechen von Vorstrafen, Krankheiten, Handicaps oder Schwangerschaft im Bewerbungsgespräch unterliegt genauen gesetzlichen Bestimmungen. Die Arbeitsrechtsexpertin der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, Tanja Schmidtbauer klärte für derStandard.at/Karriere einige Fragen zur Legitimität im "Frage-Antwort-Spiel" in der Bewerbungssituation.
derStandard.at: Darf der potenzielle Arbeitgeber danach fragen, ob man sich ein Kind wünscht? Schmidtbauer: Generell gilt: Nach Angelegenheiten, die die Intimsphäre des Arbeitnehmers betreffen, darf seitens des Arbeitgebers grundsätzlich nicht gefragt werden. Dazu zählt auch ein eventuell bestehender Kinderwunsch. Die Bewerberin muss darauf nicht antworten. Fragt der Arbeitgeber trotzdem, kann er aufgrund des Gleichbehandlungsgesetzes schadenersatzpflichtig werden.
derStandard.at: Darf eine Bewerberin im Vorstellungsgespräch verschweigen, dass sie schwanger ist? Schmidtbauer: Ja, sie darf es verschweigen, da sie ansonsten damit rechnen muss, dass ihre Bekanntgabe der Schwangerschaft im Bewerbungsgespräch dazu führen kann, dass sie nicht aufgenommen wird. Kann die Arbeitnehmerin glaubhaft machen, dass sie den Job nur aufgrund der bestehenden Schwangerschaft nicht bekommen hat, können Schadenersatzansprüche wegen Diskriminierung gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden.
derStandard.at: Ein Beispiel: Wenn die Bewerberin eingestellt wird und beim Vorstellungsgespräch gesagt hat, sie plane kein Kind. Sie wird aber ungeplant schwanger innerhalb der Probezeit – Ist das ein Kündigungsgrund? Schmidtbauer: Nein. Kann die Arbeitnehmerin glaubhaft machen, dass der Arbeitgeber nur wegen der bestehenden Schwangerschaft das Arbeitsverhältnis in der Probezeit gelöst hat, kann die Auflösung wie oben wegen Diskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz angefochten werden.
derStandard.at: Gibt es auch Sonderfälle, dass die Bewerberin bei bestimmten Berufen Auskunft geben muss? Schmidtbauer: Nach dem Mutterschutzgesetz gibt es Beschäftigungsverbote für werdende Mütter, sie dürfen zum Beispiel keine Akkordarbeit leisten oder mit gefährlichen Chemikalien arbeiten. Bewirbt sich eine Arbeitnehmerin für solche Tätigkeiten, wird sie eine bestehende Schwangerschaft auch in ihrem eigenen Interesse bekannt geben müssen.
derStandard.at: Darf der (potenzielle) Arbeitgeber generell gesundheitsbezogene Fragen stellen? Schmidtbauer: Nein. Arbeitssuchende müssen sich auch keiner ärztlichen Untersuchung unterziehen, soweit dies nicht gesetzlich festgelegt ist oder sich aus der Art der Tätigkeit ergibt (z.B. im Gesundheitsbereich).
derStandard.at: Darf der Bewerber zur Notlüge greifen, wenn die Fragen nach Krankheiten oder Behinderung doch gestellt werden? Macht er sich strafbar? Schmidtbauer: Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, im Rahmen eines Bewerbungsgespräches Auskunft über seine Behinderteneigenschaft zu geben. Erhält der Arbeitnehmer den Job, muss er aber spätestens bei Ausspruch der Kündigung auf seinen Kündigungsschutz hinweisen. Fragen zum Gesundheitszustand muss der Arbeitnehmer – abgesehen von einigen Ausnahmen – nicht beantworten.
derStandard.at: In welchen Sonderfällen müssen Arbeitnehmer auf solche Fragen antworten? Schmidtbauer: Leidet der Arbeitnehmer unter einer Krankheit, die eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit anderer Mitarbeiterinnen im Betrieb darstellt, wird man ein Fragerecht des Arbeitgebers anerkennen müssen. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeit übernehmen soll, die seine Gesundheit beeinträchtigen kann, muss sich der Bewerber im Hinblick auf seine Eignung von einem Arzt untersuchen lassen. Der Arzt darf hier dem Arbeitgeber aber lediglich bekanntgeben, ob der Bewerber für eine bestimmte Tätigkeit geeignet ist oder nicht. Sonstige Angaben zum Gesundheitszustand darf der Arzt gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber nicht machen.
derStandard.at: Was raten Sie generell – Wann ist es aus Bewerbersicht klüger mit offenen Karten zu spielen? Schmidtbauer: Immer dann, wenn ein gesundheitliches Risiko für sich oder andere Menschen gegeben ist.
derStandard.at: Welche Fragen gibt es noch, die beim Bewerbungsgespräch tabu sind? Schmidtbauer: Der Arbeitnehmer muss grundsätzlich keine Auskunft über persönliche Angelegenheiten geben. Zum beispiel sind Fragen bezüglich des Ehe- und Familienlebens oder dem Einkommen des Partners seitens des Arbeitgebers nicht erlaubt. Familienbezogene Daten, die für den Arbeitgeber aus steuerlichen Gründen relevant sind, dürfen erst nach Abschluss des Arbeitsvertrages eingeholt werden.
derStandard.at: In welchen Fällen gibt es eine Offenbarungspflicht für Bewerber? Schmidtbauer: Arbeitnehmer sind verpflichtet dem Arbeitgeber jene Vorstrafen mitzuteilen, bei denen zwischen dem zukünftigen Tätigkeitsbereich und dem begangenen Delikt ein Zusammenhang besteht und der Verlust der Vertrauenswürdigkeit angenommen werden muss. Bereits getilgte Vorstrafen muss der Arbeitnehmer nicht angeben. (Marietta Türk, derStandard.at, 18.2.2008)
5.12.08
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