Epic fail
Die österreichische Volksanwaltschaft als “Menschenrechtsinstitution“?
Im Rahmen der Parallel-Berichterstattung an den Fachausschuss für den “VN-Pakt für wirtschaftliche,soziale und kulturelle Rechte“ (
ICESCR, IpwskR/WSK-Pakt) im Jahr 2013 kam es am 24.10.2013 zu einem ersten Treffen einer Gruppe von Erstellenden mit dem in der Volksanwaltschaft für “Soziales“ zuständigen Volksanwalt Dr Günther Kräuter.
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Analyse und Einschätzung der Volksanwaltschaft als mögliche (nationale) Menschenrechtsinstitution-
VN-Pakt für wirtschaftlich, soziale und kulturelle Rechte-
Regierungsbericht 2010 zum WSK-Pakt (vom Fachausschuss 2013 behandelt)
- (
Zivilgesellschaftlicher) Parallelbericht 2013-
Concluding Observations CESCR /
Abschließende Bemerkungen des Fachauschusses 2013Bei einem weiteren Treffen am 13.2.2014 wurde ein “Roundtable“ mit einem für “Soziales“ zuständigen Referenten der VA vereinbart, bei dem es vor allem um die menschenrechtsverletzenden Vorgangsweisen der Behörden in den Bereichen AMS, AlVG, BMS und "neue InvaliditätspensionsRegelungen (AGG, ASVG, etc.)" gehen sollte.
- Ein “
Wahrnehmungsbericht zu systematischen Menschenrechtsverletzungen im Bereich Arbeitslosenversicherung, AMS“, der im Vorfeld zum nächsten Treffen an VA Kräuter und Referenten versendet wurde.
Dieser Roundtable am 20.3.2014 verlief ergebnislos; zu weiteren von der VA angekündigten Treffen wurde von dieser nicht mehr eingeladen.
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Protokoll Roundtable VA 20.3.2014Mehrmaligen Aufforderungen an die VA zur Abgabe eines klaren und eindeutigen Commitments der Volksanwaltschaft zur vollumfänglichen menschenrechtlichen Prüfung der Behörden wurden von dieser nicht nachgekommen.
- Statement von Erwerbslosen-Initiativen vom 11.4.2014
- Mailverkehr mit wiederholten Erläuterungen
Im Jänner 2015 besuchte VA Kräuter die Erwerbsarbeitsloseninitiative AMSEL. Zum diesbezüglichen
Protokoll wurde VA Kräuter wiederholt um Klarstellungen ersucht.
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Protokoll Zusammenkunft AMSEL 5. Februar 2015- Erneuter Mailverkehr: Ersuchen um Klarstellungen
Die Volksanwaltschaft hat weder ein klares und eindeutiges Commitment zur vollumfänglichen menschenrechtlichen Prüfung der Behörden abgegeben noch wurde eine systematische Prüfung der letztgerichtlichen Judikatur und deren rechtlicher Basis vor der Folie eines umfassenden Menschenrechtskatalogs zugesagt noch waren Aktivitäten in diese Richtungen erkennbar.
Fazit
Die Volksanwaltschaft ist trotz verfassungsrechtlich basiertem Auftrag dazu, nicht in der Lage oder nicht Willens, behördliches und (höchst-)gerichtliches Handeln systematisch auf Menschenrechtsverletzungen zu prüfen, Abhilfe-schaffende Maßnahmen zu empfehlen, erkennbare Schritte in diese Richtung zu setzen und darüber umfassend und regelmäßig zu berichten.
Die Volksanwaltschaft erfüllt ihren Auftrag zum Schutz und Förderung der Menschenrechte nicht .
Wahrnehmungsbericht zu systematischen Menschenrechtsverletzungen
im Bereich Arbeitslosenversicherung, AMS
Situation
Die Usance, Bezugssperren ohne Bescheid auszusprechen, verstößt regelmäßig (“systematisch“)
gegen Artikel 6 EMRK (“Recht auf ein faires Verfahren“) und Artikel 47 der EUGrundrechtscharta
(gleichlautend).
Die niedrigen Ersatzraten (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) verletzen regelmäßig
(“systematisch“) Artikel 11 WSK-Pakt (“Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung“).
AlVG und anderer gesetzliche Grundlagen ermöglichen teilweise, komplette und
unbefristete Bezugssperren für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Für die betroffenen Bezieher_innen bedeutet das im Regelfall (“systematisch“) eine Verletzung von Artikel 11 WSK-Pakt.
Weiters verletzen sie regelmäßig (“systematisch“) Artikel 9 WSK-Pakt (“Recht
auf soziale Sicherheit“),
Artikel 22 und 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und tendenziell Artikel 5 UN-Rassendiskriminierungskonvention, Artikel 26 KRK (Kinderrechtskonvention - “Soziale Sicherheit“),
Artikel 12 der Europäischen Sozialcharta
(“Recht auf Fürsorge“) und Artikel 28 BRK (Behindertenrechtskonvention - “angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz“).
Bezugssperren, die aufgrund einer Nichtteilnahme an “Maßnahmen“, “Kursen“, “Arbeitserprobungen“, “Arbeitstrainings“, “Praktika“, nicht angenommenen, vorgeschlagenen Arbeitsstellen, etc. ausgesprochen werden (können), verstoßen zusätzlich regelmäßig (“systematisch“) gegen Artikel 6 (1) WSK-Pakt (“Recht auf frei gewählte Arbeit“). Das ILO-Überein kommen C122 (“Beschäftigungspolitik“) wird dabei ebenfalls verletzt. Das “Recht auf freie Berufswahl“ wird weiters in Artikel 23 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschen - rechte garantiert - die genannten Sperren verstoßen somit auch dagegen.
Artikel 8 (3) Zivilpakt, Artikel 4 (2) EMRK, Artikel 5 (2) der EU-Grundrechtscharta und die beiden ILO-Kernarbeitsnormen C29 (“Zwangs- oder Pflichtarbeit“) und C105 (“Abschaffung der Zwangsarbeit“) verbieten Zwangs- und Pflichtarbeit. Bezugssperren und bereits deren generelle Ankündigung verstoßen regelmäßig (“systematisch“) gegen diese Bestimmungen.
Bezugssperren, die Familienerhalter_innen treffen (können), verstoßen regelmäßig gegen Artikel 27 der KRK (“angemessener Lebensstandard für Kinder“).
Remedy
Zur Herstellung einer Menschenrechts-konformen Situation im Bereich “Arbeitslosenversicherung, AMS“ sind umgehend
a) alle Sanktionsmöglichkeiten abzuschaffen und
b) die Ersatzraten mindestens auf die Referenzbudget-Niveaus laufend anzuheben
Punktation MR AlVG, AMS - Rev. 26.02.2014
Statement von Erwerbslosen-Initiativen
zum Menschenrechts-Engagement der österreichischen Volksanwaltschaft
Beim Treffen von Vertreter_innen von Erwerbslosen-Initiativen am 20.3.2014 mit dem Fachreferenten gab es einen regen Austausch von Informationen, Anregungen und Überlegungen zu den Bereichen Arbeitslosenversicherung, AMS und BMASK. Eine vertiefende weiterführende Fortsetzung dieser Art von Roundtable ist wünschenswert und sollte unter verstärkter Einbindung von Vertreter_innen von Initiativen aus den Bundesländern fortgesetzt werden. Um eine kontinuierliche und strukturelle Einbindung von Erwerbslosen-Initiativen zu gewährleisten, sollte es zu einer Kostentragung des den Erwerbslosen-Initiativen dadurch entstehenden zusätzlichen Aufwands durch die Volksanwaltschaft und/oder deren primärer Berichtskörperschaft (Parlament) kommen.
Nach Rekapitulation der bisherigen Treffen ist klar erkennbar, dass die Volksanwaltschaft bislang weder eine umfassende Überprüfung der Gebarungen des BMASK und des AMS auf Verstöße gegen Vorgaben des umfassenden Menschenrechtskatalogs (
Core International Human Rights instruments and their monitoring bodies1 und der UN Specialized Agencies, wie z.B. ILO, WHO, FAO und regionale Menschenrechtskonventionen, wie z.B. EMRK samt Zusatzprotokollen, die EU-Grundrechtscharta, Sozialcharta des Europarats) durchführt noch Einzelbeschwerden im Hinblick auf diese Verpflichtungen und aus Verpflichtungen aus den unterschiedlichen internationalen Menschenrechtsprüfungen (Universal Periodic Review; Concluding Observations, Agreed Conclusions, etc.) behandelt oder durchführt.
Anleitungshilfen der UN für konkrete Ausgestaltungen finden sich in "National Human Rights Institutions History, Principles, Roles and Responsibilities" [
Professional Training Series No. 4(Rev.1)2] und beispielhaft für die MR-bezogene Prüfung hinsichtlich des WSKPakts in "Economic, Social and Cultural Rights Handbook for National Human Rights Institutions" (
Professional Training Series No. 123).
Dieser umfassende Menschenrechts-Bezugsrahmen für Überprüfungen wird - entgegen den seit Mitte 2012 erweiterten verfassungsrechtlichen Vorgaben von B-VG Artikel 148a (1) - hinsichtlich Einzelbeschwerden - und B-VG Artikel 148a (2) - hinsichtlich amtswegiger Überprüfungen - bisher nicht wahrgenommen, entsprechende Überprüfungen finden nicht statt.
Da diesbezügliche Herangehensweisen bereits sowohl mündlich in den vorhergehenden Treffen mit VA Kräuter als auch verschriftlicht in der Punktation vom 26.2.2014 nahegelegt wurden, erscheint es nunmehr dringendst angezeigt, dass die Volksanwaltschaft umgehend ein eindeutiges und klares Commitment zu vollumfänglichen Prüfungen im Sinne des obgenannten Menschenrechts-Kanons abgibt, das auch zu gewährleisten hat, dass sowohl die bereits laufende Strukturprüfung von BMASK und AMS als auch laufende Beschwerden auf Verletzungen der Vorgaben dieses umfassenden Menschenrechtskatalogs
hin überprüft und behandelt werden.
Wir ersuchen - vor allem auch zur Vorbereitung auf das am 9.5.2014 stattfindende “NGOForum - Dialog mit der Zivilgesellschaft“ mit und in der Volksanwaltschaft - um ehestmögliche, entsprechend klärende Angaben.
1
http://www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/CoreInstruments.aspx2
http://www.ohchr.org/Documents/Publications/PTS-4Rev1-NHRI_en.pdf3
http://www.ohchr.org/Documents/Publications/training12en.pdf Das vollständige PDF-Dokument mit Mailverkehr in chronologischer Reihenfolge mit zuständigen VA-Referenten/Dr Kräuter im Anschluss an den
Roundtable vom 20.3.2014 -
siehe unter:
Epic_fail_VA_NHRI.pdfIm Namen der unterstützenden Organisationen
SoNed -
www.soned.at"Zum Alten Eisen?" -
www.zum-alten-eisen.atAMSAND -
www.amsand.netAMSEL - Arbeitslose Menschen suchen effektive Lösungen -
www.amsel-org.info